EINLEITUNG

E

s ist eine allgemeine historische Auffassung, daß die romanischen Staaten in Italien, Frankreich und Spanien aus einer Verschmelzung römischen und germanischen Volkstums hervorgegangen sind, und mancherlei scharfsinnige Untersuchungen wurden schon unternommen, um den Einfluß beider Elemente auf Geschichte und Kultur dieser Länder näher zu bestimmen.

Was Frankreich anbetrifft, so haben Raynouard, Boulainvilliers, Montesquieu, Mignet, Thierry, Savigny, Schäffner und andere die Einwirkungen römischer und germanischer Rechtsformen auf die feudale Standesgliederung und die städtische Verfassung des Mittelalters genauer untersucht, und namentlich Montesquieu, Guizot und Mignet den germanischen Charakter des französischen Rittertums mit unzweifelhaften Gründen nachgewiesen. Gobineau, der in seinem Versuch über die Ungleichheit der Menschenrassen die Bedeutung der Germanen für die Weltgeschichte ins klarste Licht stellte, war der Meinung, daß die älteren Epen des karolingischen Sagenkreises, der Charakter und die Poesie des Rittertums germanischen Ursprungs seien, daß aber die „germanischen Ideen“ gegenüber dem wieder erwachenden Gallo-Romanismus schnell zurücktraten. Rabelais ist ihm der typische Vertreter der „gaieté gauloise“ und die ganze „Renaissance“ ein Sieg des Romanismus über das Germanentum. Guizot, Mignet und andere faßten in ähnlicher Weise die große französische Revolution als letzte Reaktion des galloromanischen Elements gegen die germanischen Eroberer auf. Eine gewisse Stütze findet diese Theorie in dem Umstand, daß der französische Adel die Erinnerung an seine germanische Abstammung nie ganz verloren hat, wie namentlich die Schriften von Boulainvilliers zeigen und jene berühmte Stelle in Volneys „Ruinen“ beweist, wo die Adeligen ihre Vorrechte auf die Erobererrasse zurückführen und ausrufen: „Es wäre eine Schmach, wollten wir uns mit dem Pöbel vermischen; er ist dazu da, um uns zu dienen. Sind wir nicht das edle und reine Geschlecht der Eroberer dieses Landes? Erinnern wir die Menge an unsere Rechte und an unseren Ursprung.“

Es ist gewiß eine wichtige Aufgabe der Geschichtsforschung, festzustellen, welche Einrichtungen und Ideen von den Germanen oder den Römern herstammen oder als Fortentwicklungen in ihrem Geiste aufgefaßt werden müssen. Aber diese Methode allein genügt nicht, um zu erkennen, was eine eingewanderte Rasse für den Staat und die Kultur eines Volkes geleistet hat. Diese bloß historische Betrachtung vergißt die große Wandlungsfähigkeit der Menschen in bezug auf ihr Bewußtsein von Milieu und Tradition und übersieht die Möglichkeit, daß Menschen germanischer Abstammung römische Einrichtungen und Ideen übernommen und fortentwickelt haben können — und umgekehrt. Die historische Methode versagt aber noch mehr in bezug auf künstlerische und literarische Ideen, z. B. wenn wir in Frankreich eine Malerei sich entwickeln sehen, die weder an germanische noch an römische Vorbilder anknüpft. Der gallische Humor ist keine so eindeutige Geistesrichtung, daß Rabelais’ Werk die gallische Abstammung des Autors außer Zweifel stellt. Nach den üblichen Anschauungen sind wir geneigt, die französische Musik für eigenartig „romanisch“ zu halten und die Bizet, Gounod, Massé uns als schwarzhaarige und dunkeläugig glühende Menschen vorzustellen. Wir huldigen dem Vorurteil, die leidenschaftliche Genußmusik der Romanen in Gegensatz zu der idealen Musik der Deutschen zu stellen und diese der germanischen Sinnesart schlechthin gleich zu setzen, und doch waren die Bellini, Rossini, Bizet, Gounod und Massé blonde und blauäugige Barbarenabkömmlinge, während der schwarzhaarige, dunkeläugige Cherubini in seinen musikalischen Ideen sich den Deutschen nähert.

Diese Beispiele zeigen, daß die historische und soziologische Betrachtung allein nicht imstande ist, die verwickelten Zusammenhänge zwischen Rasse und Kultur aufzudecken. Es muß dazu noch die anthropologische Methode treten, die Anthropologie der Stände und Genies, die auf Grund der Rassengeschichte eines Volkes die organischen Gruppen und Individuen feststellt, von denen die entscheidenden Taten und Ideen ausgegangen sind. Erst auf dieser Grundlage lassen sich psychologische Theorien aufbauen, in denen die unverlierbaren Eigenheiten und die Anpassungs- und Entfaltungsfähigkeiten der einzelnen Menschenrassen zum Ausdruck kommen. Es ist z. B. höchst einseitig, wenn Gobineau aus den Zuständen der Germanen zur Zeit der Völkerwanderung ein Bild ihrer Rassenseele entwirft und von hier aus den germanischen oder nichtgermanischen Geist späterer Einrichtungen und Ideen beurteilt. Denn erst aus den Gesamtleistungen, die unter den verschiedensten Bedingungen stattfinden, können die angestammten Unterschiede der Rassen nach Kraft und Art ihrer seelischen Begabung ergründet werden.

Es ist einleuchtend, daß eine von solchen Gesichtspunkten geleitete Untersuchung über den Einfluß der germanischen Rasse auf die Geschichte und Kultur Frankreichs notwendig dazu führen muß, manche überlieferte Geschichtsvorstellungen und manche nationale Vorurteile zu zerstören. Die Durchschnittsfranzosen selbst bezeichnen sich mit Vorliebe als „gallische Nation“ oder im Schwung der Begeisterung gar als „lateinische Rasse“. Von germanischer Abstammung wollen sie nicht viel wissen, obgleich ihr eigener Name, sowie der ihres Landes, und nur ein einziger vorurteilsloser Blick in die Geschichte ihres Volkes sie von der Bedeutung der eingewanderten Germanenstämme überzeugen sollte. Man gefällt sich heute noch darin, in ihnen nur räuberische „Babaren“ und die Zerstörer der antiken Kultur zu sehen.

Gegenüber derartigen Anschauungen wird die folgende Untersuchung den Nachweis führen, daß die eingewanderten Germanen nicht nur die mittelalterliche Kultur Frankreichs schufen, was von einigen Schriftstellern schon angedeutet oder zugegeben wurde, sondern daß auch die französische „Renaissance“ vornehmlich ihr Werk ist und daß die überwiegende Anzahl der genialen Männer Frankreichs Nachkommen der vielgeschmähten Barbaren oder aus Mischungen mit ihnen hervorgegangen sind.

Ausgehend von den Grundfragen der historischen Rassetheorie und einer Übersicht über die Menschenrassen Europas, schildern die beiden ersten Abschnitte die Rassengeschichte der französischen Nation, Typus und Charakter der Gallier, die Niederlassung der Germanen in Frankreich und ihren Einfluß auf die soziale und geistige Geschichte des Mittelalters. Der dritte Abschnitt behandelt den physischen Typus und die Rassenabstammung von 250 berühmten Franzosen, seit Ausgang des Mittelalters, und führt damit unmittelbar auf die anthropologischen Wurzeln der französischen Zivilisation.

Der Einfluß der germanischen Rasse auf die Geschichte und Kultur Frankreichs steht aber nicht vereinzelt da: denn die Germanen haben in Italien und Spanien dieselbe weltgeschichtliche Rolle gespielt. Danach ist die Theorie wohlbegründet, daß die Germanen der Völkerwanderung in den romanischen Staaten nicht als Zerstörer auftraten, wenn auch die letzten Reste entarteten Römertums unter ihren Streichen fielen, sondern daß sie es waren, welche die organischen Wurzeln zu einer geistigen Wiedergeburt dieser Völker legten. Die „Renaissance“ war in Wirklichkeit nichts anderes als eine Entfaltung der germanischen Stämme unter der Hülle einer fremden Sprache und unter den besonderen Einflüssen eines neuen Milieus und der antiken Überlieferung.

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