Achtes Kapitel

Die Maler

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enn irgend eine Leistung des italienischen Volkes ein unvergleichlich Höchstes darstellt, dann ist es die Kunst der Malerei. Eine imponierende Schar von Künstlern ersten und zweiten Ranges, eine fast unübersehbare Menge von Bildwerken hat dieses Volk hervorgebracht, und in diesem Volke besonders jene Rassenschicht, welcher eitle germanische Abstammung zuzuschreiben ist.

Der erste bekannte Maler mit langobardischem Namen ist Auripert (= Aribert), der im Jahre 723 erwähnt wird. Nach Mothes wird im neunten Jahrhundert ein Maler Eribert oder Erbert genannt. Schnaase erwähnt einen Abt Wilhelm, einen geborenen Lombarden, der im zehnten Jahrhundert lebte und die Malerkunst in Frankreich eifrigst förderte, ferner einen italienischen Maler Transmundus (= Transimund), den Erzbischof Adalbert von Bremen im elften Jahrhundert in seinen Diensten hatte. Im Jahre 1068 wird ein Maler Eberhard erwähnt, der nach langobardischem Recht lebte. Aus derselben Zeit stammen die Bilder des Bonizzo (= Bonitz) in St. Urbano bei Rom.

Anfangs mögen die langobardischen Maler die byzantinische Manier sklavisch nachgeahmt haben. Den ersten schwachen Schimmer beginnender Naturbeobachtung erkennt man in der merkwürdigen Darstellung der Kreuzigungsszene und in den Fresken von Sancta Maria antiqua in Rom, die aus dem achten Jahrhundert stammen. Die Fresken des Bonizzo, diejenigen in der Unterkirche von San Clemente und Sant Agnese aus dem elften und zwölften Jahrhundert bringen dann deutlich den blonden Typus zur Darstellung. Die Fresken in San Clemente verraten ihren nordischen Charakter auch dadurch, daß die Bilder mit teilweise fremdartigen Ornamenten eingefaßt sind, in welche der Künstler nach germanischer Weise kleine Vogelgestalten eingesetzt hat.

Aus der Benediktinerabtei Monte Cassino, deren Blüte im frühen Mittelalter dem langobardischen und deutschen Stamme allein zu danken ist, ging nach den Forschungen von F. X. Kraus eine eigene, von den Byzantinern unabhängige Malerschule hervor, deren bedeutendste Leistung der Freskenzyklus im Kloster Sant’ Angelo ad Formas bei Capua aus dem elften Jahrhundert ist. Auf diesen Bildern, deren Kopien im Museo di San Martino (Neapel) zu sehen sind, haben die Figuren, Krieger, Mönche und Heilige, alle blonde Haare. Der dunkle byzantinische Typus ist vollständig überwunden.

Viel später, fast zweihundert Jahre nachher, befreite sich in Oberitalien der germanische Künstler von der byzantinischen Manier. Es ist lehrreich, diese Emanzipation in ihren einzelnen Stadien zu verfolgen. Manche Künstler malen die Figuren noch in den alten Stellungen und Gebärden, während sie die Haare blond und die Haut rosig färben. Auf anderen Bildern sieht man dunkle byzantinische neben den hellfarbigen Typen oder an einer und derselben Figur beide Stilarten in seltsamster Weise miteinander vermischt.

Die ältesten bekannten Maler Norditaliens aus dieser Zeit sind Guillelmus (1138), der kleine Bilder im Dome zu Sarzana malte, und Giovanni Alighieri (= Aldiger), ein Mönch aus Ferrara, von dem die Karmelitermönche in Ferrara einen Kodex des Vergil mit Miniaturen von 1198 bewahren.

Mit Beginn des dreizehnten Jahrhunderts sehen wir in Toscana eine große Schar von Malern auftreten, in Lucco, Pisa, Florenz und Arezzo. Besonders sind zu nennen: Berlinghieri (= Berlinger), Giunta Pisano, Sohn des Guidotto da Colle, Margaritone di Magnano (ahd. Magano), Deodato Orlando (= Roland), Coppo di Marcowaldo (= Markwald), Guido di Gualtieri und Duccio di Buoninsegna. Duccio ist eine Abkürzung von Riccarduccio oder Carduccio (= Richard).

Als Begründer der italienischen Malerei wird häufig Giovanni Cimabue (1240—1302) genannt. Cimabue ist wohl ein Ruf- oder Spitzname, während über seinen wahren Familiennamen unter den Kunsthistorikern einige Meinungsverschiedenheit herrscht. Nach Vasari stammt er aus einem edlen Geschlecht, dessen Name vom späteren Herausgeber seiner Lebensbeschreibungen als Gualtieri (= Walther) festgestellt wurde. Die Ansicht von Strzygowski, daß sein Sohn Gualtieri hieß und von ihm erst die Familie den Namen angenommen habe, mag vielleicht richtig sein. Nach Vasaris Angabe finden wir seine Gestalt auf dem Gemälde der triumphierenden Kirche in Santa Maria novella zu Florenz. Hier erscheint er als eine große schlanke Person mit rötlichem Haar und blondem Spitzbart.

Weit höher als Duccio und Cimabue steht Giotto di Bondone, der im Jahre 1285 als Sohn eines armen Landarbeiters in Vespignano geboren wurde. Die einen halten Giotto für einen selbständigen Namen, die anderen für eine Abkürzung von Angelotto, Rugierotto, Ambrogiotto und dergleichen. Letzteres ist vollständig unbegründet. Giotto, latinisiert Jottus, ist das altdeutsche Jodo, Joto, das neuhochdeutsche Jotte oder Jötte. Der Name Bondone leitet sich von Bondo ab, das so viel wie „Freibauer“ bedeutet und in der Form Bonde in Deutschland und Skandinavien sehr häufig vorkommt.

Daß Giotto ein selbständiger Namen ist, geht auch daraus hervor, daß Giotti und die wohl gotische Form Gioda heute noch in Italien als Familiennamen nicht allzu selten gefunden wird.

Von Giotto gibt es mehrere Bildnisse, in der Unterkirche zu Assisi, auf der Porträttafel des Paolo Ucello und in San Francesco zu Montefalco von der Hand des Benozzo Gozzoli. Dem letzteren möchte ich den größten ikonographischen Wert beimessen, da es der Nachricht am meisten entspricht, daß Giotto häßlich gewesen sei. Es ist auch demjenigen sehr ähnlich, das H. Thode auf den Fresken zu Assisi als Bildnis Giottos ansieht. Danach hatte er ein hageres Gesicht, lange gebogene Nase, vorspringendes Kinn und rötlich-blonde Haare.

Unter den Schülern Giottos ragen hervor die Gaddi (nhd. Gade, Gäde), Daddo (nhd. Dathe, Dette), Guariento (= Wariant), Ramboldo, Landadio, Roberto di Oderisio (= Oderich), Oderigi da Gubbio, Franco da Bologna.

Altichiero da Zevio, der um 1376 in Verona und Padua tätig war, hat für die Lombardei ähnliche Bedeutung wie Giotto für Toscana. Sein Name ist eine andere Form von Aliger oder Aldiger.

Fra Giovanni da Fiesole (1387—1455). — Wie Vasari mitteilt, hieß er mit seinem weltlichen Namen Guido (= Wido, Wiede). Sein Vater Pietro scheint ein einfacher Landmann gewesen zu sein. Zur Kenntnis seines physischen Typus dient am besten die lebensgroße Statue an seinem Grabmal in Santa Maria sopra Minerva und das Bildnis in ganzer Figur, das Luca Signorelli neben dem seinigen in den Wandgemälden der Cappella della Madonna di San Brizio in Orvieto darstellte. Danach hatte er eine hohe Gestalt, ein hageres, starkknochiges Gesicht mit schmaler gerader Nase und blonde Haare. Die Augen sind auf diesem Bilde hell, wie diejenigen Signorellis. Da dieser aber blaue Augen hatte, so dürfte es bei Fra Angelico ebenso der Fall gewesen sein.

Masaccio (1402—1430), der berühmte Maler der Fresken in der Brancacci-Kapelle von S. Maria del Carmine, hieß eigentlich Tomaso Guidi (= Wido, Wiede, Witte). Nach Vasari malte er sein eigenes Bildnis in den genannten Fresken in der Gestalt des Thomas, mit blonden Haaren, blondem Bart und blauen Augen.

Antonello da Messina (geboren 1414), eigentlich Antonello d’Antonio, hatte nach seinem im Louvre befindlichen Porträt blaue Augen.

Benozzo Gozzoli (1420—1498) hieß mit richtigem Namen Benozzo di Lese. Benozzo ist ein vielverbreiteter altdeutscher Name, Lese ist ahd. Leise, nhd. Leise, Leese. Aus seinen Bildnissen, die er zweimal in seinen Fresken im Campo Santo in Pisa gemalt hat,1) sowie aus seinem Bildnis in der Cappella de’ Medici geht hervor, daß er blondhaarig und blauäugig war.

Filippo Lippi (1402—1469). — In der Chorkapelle des Doms zu Prato hat Fra Filippo sein Bildnis in den Wandgemälden angebracht, die aber so verdüstert und übermalt sind, daß namentlich das Selbstporträt für anthropologische Zwecke unbrauchbar ist. Ferner hat er sich in der „Incoronazione della Vergine“ gemalt, wo das Porträt leider fast farblos gehalten ist. Es ist ein Kopf mit schmalem langen Schädel und ebensolchem Gesicht. Ein drittes Selbstporträt befindet sich auf dem Bilde der „Maria als Mutter des Erbarmers“ im Berliner Museum. Hier blickt er aus der Männergruppe nach links aus der Szene heraus; der Kopf zeigt helle, blaue Augen, rosig-weiße Haut und helle blond-gelbe Haare.

Giovanni Bellini (1426—1507) hat zwei Selbstbildnisse hinterlassen, von denen das eine in den Uffizien und das andere im Konservatorenpalast in Rom ist. Beide zeigen germanische Gesichtszüge, helle strohgelbe Haare und blaue Augen. Bellini kommt von ahd. Belo, Bello, Bellin.

Melozzo de’ Ambrogini (1438—1494) wird nach seinem Geburtsort meist Melozzo da Forli genannt. Melozzo ist eine ähnliche Ableitung von ahd. Melo wie Benozzo von Beno. Man zeigt sein Bildnis auf dem Fresko „Palmsonntag“ in der Santa Casa zu Loreto. Er hatte ein wohlgebildetes ovales Gesicht mit edelgeformter Nase, blaue Augen und lang herabwallende blonde Haare.

Andrea Mantegna (1431—1506), eigentlich Andrea di Biagio. Über sein Leben ist sehr wenig bekannt. Eine eherne Büste, noch bei Lebzeiten angefertigt, hat uns die kraftvollen und markigen Züge seiner Gesichtsbildung überliefert. Neuerdings hat P. Kristeller versucht, sein Selbstbildnis in den Fresken der Camera degli Sposi zu Mantua nachzuweisen, und zwar ist es der Kopf im Hintergrund der rechten Seite auf dem Fresko, das die Begegnung Ludovicos mit Kardinal Francesco darstellt.2) Das Gesicht hat unverkennbar ähnliche Züge wie der Bronzekopf, die Augen sind hellblau.

Luca Signorelli (1441—1523). — Der Stammvater der Familie war ein Signorello, der 1266 erwähnt wird, seine Mutter eine Tochter des Bartolommeo Schiffi (= Schiff). Luca hatte eine hohe Gestalt und starken, gut proportionierten Körperbau. Seine langen und dichten Haare waren rötlich-blond3), und die Augen blau, wie seine Bildnisse in Gotha und in Orvieto deutlich zeigen.

Alessandro Botticelli (1440—1515) wurde so nach einem Goldschmied benannt, der sein Lehrer war, während seine Familie in Wirklichkeit Filipepi hieß. Der Name Botticelli ist ahd. Ursprungs: Botta, Bodico, Bottico, nhd. Bott, Bottke, Bodeck. Den Namen Filipepi möchte ich mit Filiberto, Filiprando, Filangieri in Analogie bringen, so daß er aus Filo und Papo oder Pepo (nhd. Pape, Peipe) zusammengesetzt wäre. Von Botticelli besitzen wir ein schönes Selbstporträt in ganzer Figur in der Anbetung der drei Könige in den Uffizien. Er war von hoher Statur, hatte schöne ebenmäßige Gesichtszüge, hellblonde lockige Haare und blaue Augen.

Pietro Perugino (1446—1524). — Sein Familienname Vannucci kommt von Vanni, einer Abkürzung von Giovanni. Unter den Bildnissen möchte ich anthropologischen Wert nur seinem sicher beglaubigten Selbstbildnis im Collegio del Cambio in Perugio zuschreiben, das ihn im Alter von 54 Jahren darstellt. Die Haare sind lichtbraun oder braun-blond, stellenweise, namentlich an den auf die Stirn herabfallenden Locken, heller und rötlich. Die Augen sind braun-grau, der Teint ist rosig, das Gesicht rund und breit, mit einer kleinen Stumpfnase. Er dürfte von mittlerer und untersetzter Statur gewesen sein. Wir haben in ihm einen Mischling der alpinen und nordischen Rasse zu sehen, der nach seiner Kopf- und Gesichtsbildung der ersteren nahe stellt.

Domenico Ghirlandajo (1449—1494) hieß eigentlich Domenico di Currado Bigordi. Currado = Konrad. Bigordi ist vermutlich das ahd. Bagordo oder Bigordo. Nach Vasari hat er sich in den Fresken der Chorkapelle von Santa Maria Novella selbst abgebildet, wo er in der Gruppe rechts die Figur mit dem roten Mantel und bloßen Kopf darstellt. Danach muß er von hoher Gestalt gewesen sein. Da aber diese Fresken infolge der Unbill der Zeit in ihrem Farbenton sehr verdüstert sind, sind sie zur Feststellung seiner Haar- und Augenfarbe wenig geeignet. Ein anderes allgemein anerkanntes Selbstbildnis, das mit dem erstgenannten absolut identische Züge hat, findet man auf seinem Altarbild „Anbetung der Könige“ (in S. Maria degli Innocenti). Es ist der vierte Kopf in der Männerreihe hinten links, ein bartloses längliches Gesicht mit energischen, etwas harten Zügen. Das Haupthaar ist braun, doch mit hellblonden Haarstreifen überzogen, so daß wir als Gesamtfarbe ein Dunkelblond oder Lichtbraun annehmen können, jenes Blond, das je nach der Beleuchtung bald heller, bald dunkler erscheint. Die Augenfarbe ist nicht genau festzustellen, sie ist weder braun noch blau, von derselben indifferenten Farbe, die man auch bei anderen Personen desselben Bildes, selbst bei solchen mit hellblonden Haaren findet.

Bernardino Betti (1454—1513), Pinturrichio, der kleine Maler genannt. Betto ist ein germanischer Name, entweder selbständigen Ursprungs oder ein aus Bertoldo verkürzter Kosename. Zuweilen kann Betto auch Verkürzung von Benedetto sein. In S. Maria Maggiore zu Spello sieht man in einer kleinen Kapelle das Selbstbildnis des Malers. Die Haare sind dunkelblond-rötlich mit hellblonden Strähnen, die Augen haben deutlich blaue Farbe. Das Bild ist stark beschädigt und zeigt Spuren von Übermalung. Daß seine Haare in Wirklichkeit heller waren, zeigt sein Bildnis auf den Fresken in der Libreria im Dome zu Siena, wo er sich neben Raffael in ganzer Figur abbildete. Die Haare sind hier mittelblond und die Augen hellblau. An der Identität der beiden Bildnisse kann nicht gezweifelt werden, da die Gesichtszüge sehr ähnlich sind. Wie dieses Bildnis zeigt und auch sein Beiname andeutet, muß er von kleiner Gestalt gewesen sein.

Francesco Raibolini, auch Francia genannt, wurde um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts geboren. Der Name Raibolini verrät auf den ersten Blick seinen germanischen Ursprung, er ist abgeleitet von Rabo, Raibo, Rabilo (nhd. Raabe, Rabl, Raible), und ist eine ähnliche Bildung wie Pickelein, Kräpelin und dergleichen. Francesco war von schönem Äußern, bellissimo di persona, sagen die Biographen. Ein Selbstbildnis befand sich in der Galleria Marchesi Boschi in Bologna, scheint aber jetzt verschollen zu sein. Leider gibt es keinerlei farbige Kopie des Bildes, sondern nur Kupferstiche aus dem Jahre 1763. Wenn man danach urteilen darf — und bis zu einem gewissen Grade darf man es —, waren die Haare hell, d. h. blond, wie auch der Ausdruck der Biographen „bellisimo di persona“ es höchst wahrscheinlich macht, daß er dem blonden Typus angehörte.4)

Leonardo da Vinci (1452—1519), oder wie er sich selbst nannte, Leonardo Vinci5), entstammte einer adeligen Familie, deren ältestes Dokument in einem Aktenstück besteht, das im Jahre 1339 von Ser Guido di Ser Michele, einem florentinischen Notar, unterzeichnet ist. Der Geburtsort Leonardos ist ein altes Kastell nördlich von Empoli, von dem heute noch ein Turm und einige Mauern erhalten sind und das in alten Zeiten „Cassero di Vinci“ genannt wurde, um den rings der kleine „Borgo di Vinci“ lag. Das Kastell ist offenbar nach einem germanischen Ritter Vinco (= Winke, Vincke) genannt. Später war die Burg im Besitz der Adimari (= Hadimar), im dreizehnten Jahrhundert in den Händen der mächtigen Familie der Grafen Guidi. In der Umgebung liegen noch mehrere Kastelle und Dörfer mit aldeutschen Namen, wie Cerreto Guidi, Lamporrechio (= Lamprecht) und Tizzana (Tizzo = Tietz). Eine halbe Stunde nordöstlich von Vinci liegt am Abhang des Monte Albano ein „Luogo d’Anchiano“, wo früher ein Kastell gestanden haben soll, dessen Name von dem altdeutschen Ango (= Anke, Enke) sich herleitet. Hier hatte die Familie Vinci ein Landhaus, wo Leonardo geboren wurde, mitten in einem Landstrich, der einst von Germanen besiedelt worden war. In den Tälern und an den Abhängen des von der großen Verkehrsstraße abgelegenen Monte Albano findet man in der Bauernbevölkerung noch viele blonde und blauäugige Menschen, wahrscheinlich Reste des gotischen Stammes. Aus diesen Schichten ging die sonst unbekannte Caterina, die Mutter Leonardos, hervor, „que era di bon sangue“, d. h. einem kräftigen, gesunden Menschenschlag angehörte. Leonardo war ein uneheliches Kind, wurde aber später von seinem Vater legitimiert und in Haus und Familie aufgenommen, wo ihm eine sorgfältige Erziehung zuteil wurde.6)

Leonardo scheint seine körperlichen und geistigen Eigenschaften besonders von der väterlichen Seite geerbt zu haben. Denn Vasari schreibt über Piero da Vinci, einen sehr begabten, früh verstorbenen Bildhauer und Neffen Leonardos väterlicherseits: „Als der Knabe drei Jahre alt war, hatte er ein schönes Gesicht, gelocktes Haar, zeigte Anmut in jeder Bewegung, und eine bewundernswerte Lebendigkeit des Geistes in allem, was er tat“, und er fügt hinzu, daß der Vater Pieros an dem Kinde um so mehr Freude gehabt hätte, weil Gott „in dem Sohn den Bruder wieder geschenkt“ habe. Der Knabe war wohl das Ebenbild seines Oheims Leonardo, denn Vasari rühmt an ihm die Schönheit seines Leibes und die unübertreffliche Anmut der Bewegungen. Seine Körpergestalt war hoch und kräftig, Bart und Haar außerordentlich lang gewachsen, so daß ihn, wie Lomazzo sagt, der wahre Adel der Weisheit schmückte, wie einst Hermes und Prometheus. Auch ein anderer Berichterstatter schreibt, daß er schönes, lockiges und gut gepflegtes Haar gehabt habe, das bis zur Mitte der Brust herabhing.7)

Das Bild von dem physischen Typus Leonardos wird vervollständigt durch die gezeichneten und farbigen Porträts, unter denen in erster Linie das Selbstbildnis in der Pinakothek zu Turin in Rötelzeichnung zu nennen ist. Es ist der Kopf eines Greises mit schmaler, hochgewölbter Stirn, schmalem Gesicht und leicht aquiliner Nase. In der Bibliothek von Windsor befindet sich ein Profilbildnis, von dem man auch eine Kopie im Passaggio der Uffizien und auf den Fresken Vasaris in der Sala Leone im Palazzo vecchio zu Florenz sieht. Aus diesem Porträt geht unzweifelhaft hervor, daß sein Schädel einen großen Längendurchmesser gehabt haben muß.

In der Sammlung der Selbstbildnisse in den Uffizien befindet sich ein Porträt Leonardos, das nach der übereinstimmenden Kritik aller Kenner unmöglich als Selbstbildnis angesehen werden kann. Von wem und wann es ausgeführt, ist gänzlich unbekannt. Doch ist nicht daran zu zweifeln, daß es nach dem Leben gemalt wurde oder die Kopie eines solchen Gemäldes ist. Es entspricht den biographischen Beschreibungen und den anderen Bildnissen, nur mit dem Unterschied, daß Leonardo hier in jüngeren Jahren dargestellt ist. Danach hatte er hellblondes Haar an Haupt und Bart und blaue Augen. Daß Leonardo blond war, wird von den Biographen nicht ausdrücklich erwähnt, aber die immer wieder gerühmte Schönheit seines Haares schließt diese Eigenschaft fast selbstverständlich ein, denn für den Italiener und speziell für den Renaissance-Menschen ist die blonde Haarfarbe ein vielgerühmtes Merkmal körperlicher Schönheit.

Leonardos Haare scheinen sehr früh weiß geworden zu sein. So schreibt E. Müntz: „Sein goldfarbener Bart, seine blonden gelockten Haare, welche die Bewunderung seines Zeitalters erregten, waren silberweiß geworden, noch bevor er das 50. Lebensjahr überschritten hatte.“8)

Außer den genannten sind noch einige Bildnisse anzuführen, die nicht historisch sicher beglaubigt sind, aber große Wahrscheinlichkeit für sich haben. In erster Linie interessiert uns hier ein Porträt, das nach Bayersdorffer und Müller-Walde auf dem Gemälde „Die drei Erzengel und Tobias“ von Verrocchio sich befindet und das in der Gestalt des Michael den jungen Leonardo darstellt. Dieser Kopf ist ohne Zweifel ein Porträt und hat mit den anderen Bildnissen Leonardos auffallend ähnliche Gesichtszüge. Es wäre ungemein interessant, in diesem schlanken, hochgewachsenen Jüngling mit den großen blauen Augen, dem goldgelben Haar, den wohlgebildeten, ausdrucksvollen Gesichtszügen, die wahre Gestalt des jungen Leonardo zu erblicken. Freilich handelt es sich hier nur um eine wohlbegründete Vermutung, aber sollte eines Tages unwiderruflich bewiesen werden, daß jenes Gemälde nicht von Verrocchio herrührt, würde damit auch die Identifikation des Jünglings mit Leonardo unmöglich sein. Aber dann würde uns dieses Gemälde immerhin zeigen, wie Leonardo in seiner Jugend ausgesehen haben kann, ja bis zu einem gewissen Grade ausgesehen haben muß.

Dr. Müller-Walde teilte mir mit, daß ein Bildnis Leonardos sich auf den Fresken des Borgognone in S. Simpliciano in Mailand befindet. In der Tat ist dieses dem Selbstporträt in Turin außerordentlich ähnlich und von großem historischen Wert.

Aus den biographischen und ikonographischen Zeugnissen ergibt sich demnach als anthropologisches Gesamtbild von Leonardos physischem Typus: Hohe und kräftige Gestalt, langer schmaler Schädel, ebensolches Gesicht mit bedeutender leicht gebogener Nase, heller Teint, große blaue Augen, blondes und lockiges Haupt- und Barthaar. Wenn irgend einer unter den großen Italienern, dann war Leonardo ein unvermischter Sproß der germanischen Rasse.

Von den Schülern und Nachfolgern Leonardos nenne ich nur die bedeutendsten, Melzi, Ferrari und Luini.

Francesco Melzi (1493—1570), aus einer vornehmen Mailänder Familie, die in deutscher Sprache Meltz heißen würde, hatte nach seinem Bildnis in der Pinakothek zu Turin blonde Haare und blaue Augen. Melzi von ahd. Melo, Melizo.

Gaudenzio Ferrari (1481—1549) brachte sein Bildnis auf den Fresken in Santa Maria delle Grazie in Varallo an, und sein Schüler Lanino malte ihn auf dem Fresko in San Nazzaro zu Mailand, wo er das Martyrium Katherinas darstellte. Danach hatte Ferrari eine ziemlich große, aber beleibte Gestalt mit hellem, rötlich-blondem Haar und Bart und blauen Augen.

Bernardino Luini (1475—1535), der nach den Forschungen von Argellati mit Familiennamen Lutero (= Luther) hieß, stellte sich selbst, wie Passavant gezeigt hat, in den Fresken der Vermählung Mariae zu Saronno dar. Hier erscheint er als ein stattlicher Greis, ein Buch in der Rechten haltend, mit weißem Haupt- und Barthaar, germanischen Gesichtszügen, rosigem Teint und blauen Augen, eine Gestalt, die Leonardo ähnlich gewesen sein mag.

Francesco Granacci (1477—1543) wurde von Masaccio auf seinen Fresken in der Brancacci-Kapelle als der knieende, blondhaarige, nackte Königssohn dargestellt.

Tiziano Vecellio (1477—1576) stammte aus Pieve di Cadore am Abhang der Karnischen Alpen, das bald zum deutschen Reiche, bald zu dem fast ganz deutschen Erzbistum Aquileja (= Aglei) gehörte und erst 1420 in venezianischen Besitz überging. Diese Gegend wurde zuerst von den Langobarden eingenommen, später fand eine Einwanderung von Alemannen und Bajuvaren statt, die bis ins dreizehnte Jahrhundert dauerte. Die Romanisierung hat sich in diesen Distrikten relativ spät durchgesetzt. In der Nähe von Cadore liegen die Sieben und Dreizehn Gemeinden, die letzten germanischen Sprachinseln auf italienischem Boden, ferner die heute noch deutschen Dörfer Zahre (ital. = Sauris), Bladen (= Sappada) und Tischwang (= Timan).

Der Stammvater der Vecelli war Ser Guecello aus Pozzale. Der Name Guecello kommt in jener Gegend während des Mittelalters sehr häufig vor und, wie seine Schreibweise (Gu = W) schon andeutet, ist er altdeutschen Ursprungs. Guecello leitet sich ab von Wezo, Wezilo, Wezelo, Wezello, das im nhd. Wetzel oder Wetzell lautet.

Was das körperliche Aussehen Tizians betrifft, so ist in ihm der germanische Typus nicht zu verkennen. Biographische Notizen, die anthropologisch verwendbar wären, habe ich bisher nicht ausfindig machen können; aber seine zahlreichen Porträts zeigen ein schmales Gesicht, schmale, leicht gebogene Nase, fliehende hohe Stirn, blaue Augen und eine rosige Hautfarbe. Was die Farbe des Haupt- und Barthaares anbetrifft, so war dieselbe rötlich-blond, wie sein Bildnis in der Wiener Gallerie zeigt. Er muß von hoher Körpergestalt gewesen sein, da er auf dem Familienbilde des Bassano in den Uffizien, wo er im Hintergrunde der Szene steht, über alle anderen hervorragt.9)

Giorgio Barbarelli (1478—1511), auch Giorgione, der lange Georg genannt, stammte aus einem friaulischen Adelsgeschtecht in Castelfranco. Der Adel Friauls ist nachweislich langobardischen und fränkischen Ursprungs, und der Name Barbarelli weist, ähnlich wie Barbaro, Barbarini, auf den „barbarischen“, d. h. germanischen Ursprung hin. Georgione war von hoher Statur, und wie sein Bildnis in den Uffizien zeigt, hatte er braunes gelocktes Haar, während der Bart rötlich-blond und die Augen blau waren. In jüngeren Jahren waren die Haare heller, wie sein Jugendbildnis zeigt, das früher im Palazzo Manfredi in Venedig war, und von dem man eine Kopie in der Akademia delle belle arti sieht.

Antonio Pordenone (1484—1540) hieß mit seinem wahren Familiennamen Sacchi (ahd. Sacco, nhd. Sack, Seeck). In den Uffizien befindet sich sein Selbstbildnis, wo er dunkelblonde Haare, hellblonden Bart und blaue Augen hat. In der Galleria Borghese ist ein großes Gemälde von seiner Hand, das seinen Bruder und dessen Familie darstellt. Früher wurde dies Gemälde für ein eigenes Familienbildnis gehalten; diese Verwechselung konnte um so leichter eintreten, als sein blonder, blauäugiger Bruder ihm ungemein ähnlich ist.10) Auch die Mutter und ihre sieben Kinder haben alle blaue Augen und blonde Haare. Das Bild ist eine anthropologisch interessante Darstellung einer friaulischen Familie aus der Renaissancezeit, die den germanischen Typus unvermischt erhalten hat.

Jacopo Palma (1480—1520). — Palma Vecchio, dessen Name in Wirklichkeit Negruti war, hatte braune Augen; seine Haare waren dunkelbraun, das Gesicht lang, wie sein Bildnis in der Münchener Pinakothek zeigt. Dasselbe Aussehen hat er auf einer Miniatur in den Uffizien, die als Selbstbildnis bezeichnet wird.

Paris Bordone (1500—1571) hatte nach seinem Selbstbildnis im Museo civico zu Treviso dunkelbraune, fast schwarze Haare, blonden Bart, rosige Gesichtsfarbe und blaugraue Augen. Bordone von ahd. Bordo, nhd. Burden.

Marcantonio Raimundi (1475—1534) wurde von Raffael in den Stanzen des Vatikans auf dem Fresko der Vertreibung des Helidor dargestellt. Es ist eine hohe kräftige Gestalt mit germanischer Physiognomie. Das lang herabfallende Haar ist braun, mit hell- und mittelblonden Strähnen, so daß es in seiner Gesamtfarbe als dunkelblond bezeichnet werden kann. Die Farbe der Augen konnte ich nicht bestimmen. Raimundi oder Raimondi = Raimund.

Antonio Bazzi (1479—1549), meist Sodoma genannt, malte sich auf seinen Fresken in Monte Oliveto in ganzer Figur in der Kleidung eines mailändischen Edelmannes. Ein anderes Selbstbildnis befindet sich in den Uffizien, doch wird von einigen behauptet, daß es zwar ein von Bazzi herrührendes Bildnis sei, aber einen anderen darstelle. Ich finde indes die Gesichtszüge zwischen beiden Bildnissen außerordentlich ähnlich, so daß ich sie für identisch halten möchte. Danach hatte er eine übermittelgroße Gestalt, braune oder braunblonde Haare und blaue Augen. Raffael hat ferner sein Bildnis in der „Schule von Athen“ in den Stanzen des Vatikan neben seinem eigenen gemalt. Hier sind die Haare dunkelblond mit hellen Strähnen, ähnlich wie diejenigen Raffaels. Der Name Bazzi ist ahd. und entspricht dem nhd. Batz, Bätz oder Beetz.

Francesco Bigi (1480—1525) meist Franciabigio genannt, brachte sein Bildnis in ganzer Figur in der Vermählung Mariae im Chiostro von Santissima Annunciata, in Florenz an. Hier ist er die Gestalt rechter Hand, die sich auf die Schulter eines anderen stützt. Von mehr als mittlerer Körpergröße, hat er ein längliches Gesicht, schmale Nase, rosigen Teint, braune Haare und, wie das rechte Auge des sehr beschädigten Freskos erkennen läßt, blaue Augen. Bigi = ahd. Bico, Pico, nhd. Bick, Bigge.

Raffael Santi (1483—1520). — Wie Passavant nachgewiesen hat, lebte in Colbordolo, dem Geburtsort von Raffaels Vater, um die erste Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts ein gewisser Sante, von dem seine Nachkommen den Familiennamen del Sante oder Santi annahmen.11) Der Name des Kastells Colbordolo ist ältdeutschen Ursprungs, analog Heribord, Heltiport und dergleichen. Sante ist, wie die Ableitungen Santini, Santoni, ebenfalls ein germanischer Name, dem im nhd. Sandt entspricht. Ableitungen sind z. B. Sandheri, Sandebert oder Santepert.

Raffaels Mutter hieß Magia Ciarla und war die Tochter eines Kaufmanns in Urbino. Nach Muratori soll Ciarla von Charles stammen und durch die Franken nach Italien gebracht worden sein. Es wäre demnach mit dem altdeutschen Carla gleichbedeutend.

Über das körperliche Aussehen von seinem Vater Giovanni ist nichts Sicheres bekannt, mehr wissen wir dagegen von seiner Mutter. In der Casa di Raffaelo in Urbino befindet sich ein in die Wand eingelassenes Freskobildnis von der Hand Giovannis, das Frau Magia und Raffael als Madonna mit Bambino darstellt.

Es ist auffallend, daß die Zeitgenossen Raffaels nur spärliche Notizen über das Äußere des damals schon hochberühmten Malers hinterlassen haben. Was spätere Biographen berichten, beruht nicht auf unmittelbarer Anschauung, sondern sind Beschreibungen, die namentlich dem Porträt in den Uffizien entnommen sind. Das Selbstbildnis in den Uffizien stellt den Maler im Alter von 23 Jahren dar. Nach dem Urteil von Sachverständigen ist dieses Bild mehrfach übermalt worden, nur Mund und Nase blieben unberührt. Hier hat Raffael ein edel gebildetes, schmales Gesicht, sanfte graue Augen mit einer leichten Neigung ins Bräunliche und dunkelblonde Haare mit einer Nuance ins Rötliche.

Im Berliner Museum befindet sich ein Altarbild von Giovanni Santi, das Maria und das Jesukind darstellt und von jeher als Raffael und seine Mutter gedeutet wurde. Hier haben beide hellblonde Haare, das Kind blaue Augen, während die Mutter graue Mischaugen mit bläulichem und bräunlichem Schimmer zeigt. Auf dem schon erwähnten Freskobildnis in Urbino haben beide ebenfalls hellblonde Haare. Die Augen des Kindes sind leider geschlossen, die der Mutter zeigen eine graue Mischfarbe. Ferner gibt es ein Bildnis des sechsjährigen Raffael, das seinem Vater zugeschrieben wird und von dem man im Museum zu Hannover eine gute Kopie sieht. Hier hat Raffael ebenfalls gelbblonde Haare und dunkelgraue Augen.

In der Libreria des Domes zu Siena sind in der „Kanonisation der heiligen Katherina“ Raffael und sein Lehrer Pinturrichio in ganzer Gestalt als Kerzenträger dargestellt. Beide haben blonde Haare und rosig-weiße Haut. Während aber Pinturrichio deutlich blaue Augen zeigt, was seinem Selbstporträt in Spello entspricht, hat Raffael grau-gelbliche Augen. Diesem von Pinturrichio herrührenden Bildnis Raffaels, der damals sein Schüler war, muß man in der Beurteilung seines physischen Typus die größte Bedeutung zuschreiben. An der Identität kann nicht gezweifelt werden. Die Gesichtszüge sind genau dieselben wie auf dem Porträt in den Uffizien und in den Stanzen des Vatikans, Namentlich ist das für den Gesichtsausdruck Raffaels so charakteristische Herabsinken des oberen Augenlides deutlich dargestellt. Nach alledem dürfen wir mit großer Gewißheit annehmen, daß Raffael in seiner Jugend hellblondes Haar und bläuliche Augen hatte, daß aber mit zunehmendem Alter Haare und Augen etwas dunklere Färbung annahmen.

Das Skelett Raffaels, das im Pantheon aufgefunden wurde, war 5 Fuß und 2 Zoll Pariser Maß, etwa 167,5 cm lang. Der Schädel war schmal.12)

Nach Beendigung meiner Studien über den physischen Typus Raffaels finde ich, daß G. K. Nagler in seiner Schrift über „Raffael als Mensch und Künstler“ (1836) zu ähnlichen Ergebnissen gekommen ist. Er schreibt: „Seine Züge waren von regelmäßiger Schönheit, das Auge klar und rein, der Spiegel einer schönen Seele, die Form des Kopfes oval und die Haare anfangs blond, bis sie sich mit den Jahren leicht ins Bräunliche neigten.“ Er glaubt in einem Altargemälde seines Vaters in S. Francesco zu Urbino seine Eltern und den jungen Raffael zu erkennen und danach annehmen zu dürfen, „daß Raffael nach seiner schönen und edelgeformten Mutter artete“.

Andrea del Sarto (1486—1530) wurde del Sarto genannt, weil er der Sohn eines Schneiders Agnolo oder Angelo war, weshalb sein eigentlicher Name Andrea d’Agnolo ist. Auch wird ihm der Familienname Vannucchi beigelegt. Nach einer nicht ganz unbegründeten Sage soll sein Vater aus Flandern stammen und wegen Totschlags nach Italien geflohen sein, wo er seinen Familiennamen Van Huysen in Vannucchi eingetauscht haben soll.13) Von Andrea gibt es mehrere Bildnisse, von denen einige als Selbstbildnisse bezeichnet werden. Alle lassen erkennen, daß seine Augen blau, die Haare blond und der Teint hell gewesen, wobei auf dem einen Porträt die Haare heller, auf dem anderen dunkler oder mehr rötlich gefärbt sind. Andrea muß von hoher Gestalt gewesen sein, wie aus seinem Bildnis in ganzer Figur hervorgeht, das er im Kreuzgang von S. Annunciata in Florenz angebracht hat.

Marco Palmezzano (1490—1540). — Sein Bildnis in der Pinakothek zu Forli zeigt germanische Gesichtszüge, blonde Haare und blau-graue Augen. Die Namen Palma, Palmieri, Palmezzo möchte ich von einem ahd. balm- herleiten, ebenso die im nhd. häufigen Namen Palm und Palmer. Balma und Pelma kommen in Norditalien auch als Ortsbezeichnungen vor.

Giulio Clovio (1498—1578), der berühmte Miniaturmaler, hatte blaue Augen, germanische Gesichtsbildung mit schmaler, gebogener Nase, helle Haut. Auf seinem Pastellbildnis, das sich in den Uffizien befindet, sind Haar und Bart weiß.

Jacopo da Pontormo (1493—1556) hieß in Wirklichkeit Carucci (Caro = nhd. Kahr, Kehr). Sein Bildnis sieht man auf der „Anbetung der drei Könige“ in der Galleria Pitti, wo er rötlich-blondes Haar und ebensolchen Bart hat. Ein anderes Bildnis befindet sich im Passaggio der Uffizien, auf dem ebenfalls der blonde Bart und blaue Augen zu erkennen sind.

Antonio Allegri (1494—1534) stammte aus Correggio in der Nähe von Parma. Der Name Allegri wird von dem lateinischen alacer (schnell, munter) hergeleitet. Allegro, Allegretto, Allegrino sind barbarisch-lateinische Vornamen, die im Mittelalter nicht selten vorkommen. Seine Mutter hieß Bernardina Piazzolo (= Platzel, Plätzel), aus dem Geschlechte der Ormanni oder Aromanni (= Heermann, Hermann). Sind die biographischen Nachrichten über Correggio an sich schon spärlich, so fehlen anthropologisch verwertbare Notizen gänzlich. Selbst sicher beglaubigte Bildnisse sind nicht vorhanden. Zwar werden mehrere Porträts mit seinem Namen angeführt, aber schon Vasari berichtet, daß er sich vergeblich bemüht habe, ein Bildnis des Künstlers ausfindig zu machen, denn er selbst habe sich nicht gemalt, noch ein anderer, da er in kleinen und bescheidenen Verhältnissen lebte.

Giulio Romano (1498—1546) hieß Giulio de’ Januzzi (= Jani = Giovanni), war von mittlerer Größe, hatte braune Augen, schwarzes Haar und schwarzen Bart14), langes Gesicht, schmale, aquiline Nase und rosige Gesichtsfarbe. Er war ein Mischling der mediterranen und nordischen Rasse.

Jacopo Robusti (1519—1594), auch Tintoretto genannt, weil er Sohn eines Färbers war. Von ihm gibt es mehrere Selbstbildnisse, unter anderem hat er sich auf dem großen Gemälde des Miracalo di S. Marco viermal dargestellt. Ein Vergleich der Porträts ergibt, daß er ein Mensch von mittelgroßer oder von etwas über mittelgroßer Gestalt war, schwarze Haare, braunen Bart, rosigen Teint und dunkle Augen hatte. Ihre eigentliche Farbe konnte ich aber schlechterdings nicht feststellen, da die einen Bilder mehr dunkelblaue, die anderen braungraue Augen vermuten lassen.

Paolo Caliari oder Cagliari (1530—1588), meist Paolo Veronese genannt, war von hoher und hagerer Gestalt. Es gibt zahlreiche Porträts von ihm, die aber in alle Welt zerstreut worden sind. Seine Physiognomie mit der großen, gebogenen Nase und der hohen, fliehenden Stirn ist eine germanische. Die Augen waren blau, Haar und Bart scheinen dunkelbraun gewesen zu sein, wie aus seinem Bildnis auf dem „Gastmahl des Levi“ in Venedig hervorgeht.

Federigo Zuccheri (1550—1609) hatte nach seinem Bildnis in der Pinakothek zu Lucca dunkles, rötliches Haar, blonden Bart und blaue Augen. Zuccheri = nhd. Zocher.

Annibale Caracci (1560—1609), der bedeutendste aus der Malerfamilie der Caracci, hatte blondes Haar, blonden Bart und blaue Augen, wie seine beiden Bildnisse in den Uffizien zeigen.

Guido Reni (1575—1642), dessen ahd. Name dem nhd. Reyne entspricht, hatte braune Haare, blonden Bart und blaue Augen.

Domenico Zampieri (1581—1641), meist Domenichino genannt, hatte nach seinem Bildnis in den Uffizien braunes Haupthaar, hellblonden Bart und blaue Augen.

G. F. Barbieri (1590—1666), auch Guercino genannt, hatte zur Mutter eine Elena Ghisellini (Giso, Gisilo = Geiß, Giese); er war von hoher Gestalt und hatte einen weißen, leicht rosigen Teint.15) Domenichino hat sein Bildnis in dem Fresko zu Grottaferrata angebracht, wo er hellblaue Augen und hellblonde Haare zeigt.

Giambattista Salvi (1605—1685), nach seinem Geburtsort meist Sassoferrato genannt, hatte nach seinem Bildnis in den Uffizien dunkelaschblondes Haar, hellblonden Bart und blaue Augen. Der Name Salvi ist germanischen Ursprungs, ebenso wie die Ableitungen Salvini, Salviati. Ahd. Salvo, Salo = Saal, Seel.

Salvatore Rosa (1605—1673) war ein eigentümlicher Mischling. Er hatte nach D’Argenville eine mittlere Statur, langes schwarzes Haar, dunkle Gesichtsfarbe, aber blaue Augen.

Carlo Maratta oder Maratti (1625—1713) hatte blonde Haare und blaue Augen.

Lorenzo Tiepolo (1692—1769) hatte, wie sein Bildnis in der Akademie zu Venedig zeigt, germanische Gesichtszüge, rosigen Teint und blaue Augen. Tiepolo = Tiepel, Dippel.

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1) G. Rosini, Descrizione delle pitture del Camposanto in Pisa. 1816. S. 148. — J. G. Supino, Il Campo Santo di Pisa. 1896. S. 294.
2) P. Kristeller, Andrea Mantegna. 1902. S. 259.
3) G. Mancini, Luca Signorelli. 1903. S. 243.
4) Auch die Kupferstiche beginnen sehr selten zu werden. Ein Exemplar verdanke ich der Güte des Marchese Tommaso Boschi in Bologna. Vermutlich ist die Galleria Boschi nach England verkauft worden, und es wäre wünschenswert, wenn Spezialforscher dem Schicksal des Originalbildnisses nachspüren würden.
5) Daß Leonardo sich selbst immer Vincio oder Vincius nannte, ist von G. Campori nachgewiesen worden. Vergleiche seine Nuovi documenti per la vita di L. da Vinci. 1865.
6) G. Uzielli, Ricerche intorno a Leonardo da Vinci. 1896.
7) E. Müntz, Léonard de Vinci. 1899. S. 487.
8) E. Müntz, Léonard de Vinci. 1899. S. 493.
9) Meine Absicht, die Heimat Tiziana zu besuchen, gab ich auf, als ich die anschaulichen Schilderungen von Dr. R. Oertel las, in denen er über das berichtet, was ich dort zu suchen und zu finden gedachte: „Auch der Menschenschlag seiner Heimat hatte es ihm angetan. Die meisten seiner Frauenköpfe sind echte Cadoretypen. Noch heute trifft man in diesen Tälern Knaben und Mädchen von seltenem Adel der Züge und außerordentlicher Zartheit der Gesichtsfarbe, wie sie im Alpengebiet selbst unter, den Zillertalern nicht leicht wiederkehren dürften. Sicherlich stammte auch daher des Meisters Vorliebe für blonde Haare. Die Bevölkerung dieses Gebirgslandes ist ihrer Abstammung nach verschieden, die Völkerwanderung hat deutliche Spuren in ihr zurückgelassen. Obwohl von Schluderbach ab südlich alles Volk italienisch spricht, tragen doch neben ausgesprochenem Romanentum so viele Köpfe echt germanisches Gepräge, daß man sich manchmal in ein Seitental des Mittelrheins versetzt wähnt. Die Sprache gibt keinen Maßstab, denn leider haben von alters her die germanischen Stämme auf fremdem Boden gern die Sprache der Besiegten angenommen. Das Ampezzotal scheint allerdings vorzugsweise von einer Bevölkerung kelto-romanischer Abstammung besiedelt zu sein, im Auronzotal aber und in Buchenstein ist zweifellos das germanische Element vorherrschend. Ob es Reste der Cimbern sind oder versprengte Gotenstämme, die sich in entlegene Alpentäler flüchteten, oder Elemente späterer Einwanderungen, kommt hier nicht weiter in Betracht. Ich wollte nur auf die auffällige Häufigkeit blonder Haare und germanischer Gesichtsbildung in diesem italienischen Lande und auf den Zusammenhang hinweisen, in dem jene mit Tizians Gemälden und mit der venezianischen Malerei überhaupt stehen.“ (R. Oertel, In Tizians Heimat. Neue Preußische Zeitung. 1904. Nr. 545—551.)
10) L’Arte Periodico. VI, S. 304.
11) V. Guerrini, Elogio storico di Giovanni Santi. 1822. S. 125.
12) J. D. Passavant, Raffael von Urbino. I, S. 565.
13) L. Biadi, Notizie inedite della vita d’Andrea del Sarto. 1829. Kap. I und III.
14) Carlo d’Arco, Storia delle vita e delle opere di Giulio Romano. 1838. S. 77.
15) J. A. Calvi, Notizie della vita del G. F. Barbieri. 1808. S. 37.

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