Neuntes Kapitel

Historiker und Humanisten

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ls die Langobarden in Italien einwanderten, waren sie zum Teil Arianer und zum Teil noch Heiden. Der Herzog Arichis von Benevent soll noch als Heide gestorben sein, und in den langobardischen Gesetzen findet man nicht wenige Spuren des Verbotes heidnischen Gottesdienstes. Die Bekehrung zum katholischen Glauben war ein wichtiges Mittel, diese unbändigen tatendurstigen Menschen zu zähmen und ihren Willen auf die reichen inneren Anlagen zu lenken, die in den Tiefen ihrer Seele schlummerten. Die Mönchsorden und die Klöster waren die Stätten, wo dieser seelische Wandel sich zuerst vollzog. Die langobardischen Könige und Fürsten bauten zahlreiche Kirchen und Klöster, und verschmähten es nicht, nach einem tatenreichen Leben das Mönchsgewand anzulegen. Als im Jahre 612 der Schotte Columban das Kloster Bobium gründete, wurde er von den Langobarden freundlich aufgenommen. Dem Kloster wurden von einzelnen Fürsten und Langobarden viele Besitzungen geschenkt, „und es sammelte sich daselbst eine zahlreiche Genossenschaft von Mönchen“ (Paul. Diac. IV, 41). Um dieselbe Zeit wurde das Vincentius-Kloster am Volturno von drei edlen Brüdern, Tato, Taso und Paldo, erbaut. Monte Cassino, das lange Zeit einsam und öde gelegen, wurde 720 von den Langobarden wieder aufgebaut und entwickelte sich dann zur bedeutendsten Stätte frühmittelalterlichen Geisteslebens.

Auch viele italienische „Heilige“ gingen aus langobardischem Stamme hervor. San Romualdo (= Romwald), geboren 950, stammte aus einer langobardischen Fürstenfamilie Ravennas. Er war Stifter des Camaldulenser-Ordens, der nach einem langobardischen Grafen Maldulo genannt ist, weil er Ländereien für Einsiedelei und Klöster schenkte. (Campo di Maldulo = Camaldulo.) Giovanni Gualberto (= Walbert), aus einer vornehmen Florentiner Familie, gründete 1015 das Kloster Vallombrosa. Santa Caterina aus Siena stammte aus einem Geschlecht, das durch den gemeinsamen Stammvater Tiezzo (= Tietz) mit den Borghese verwandt war. Sie hatte gelb-blonde Haare, die sie nach ihrer Berufung sofort abschnitt.1)

Francesco d’Assisi (1182—1226) war der Sohn des Pietro di Bernardone und der Pica (= Bick). Nach dem Bericht des Thomas von Celano hatte er eine mäßige Körpergröße, langes Gesicht, feine gerade Nase, flache Stirn, große schwarze Augen, schwarzen Bart und schwarze Haare. Bonaventura schreibt, daß sein Haar fuscus, d. h. dunkelbraun, gewesen sei, denn fuscus bezeichnet eine dunkle Farbe, die nicht gerade schwarz ist, sondern einen bräunlichen und rötlichen Schimmer hat. Die Haut war „zart“. Das älteste Bildnis des Franciscus, das im Kloster zu Subiaco noch zu seinen Lebzeiten gemalt wurde, entspricht im wesentlichen dieser Beschreibung. Es ist leider kein farbiges Gemälde, sondern mehr eine mit dunkelbraunen Linien ausgeführte Zeichnung auf graugelbem Grunde. Merkwürdig ist auf diesem Porträt, daß an den Augen mit großen Pupillen die Iris hell gelassen ist. Sogenannte große, dunkle Augen werden hauptsächlich durch eine große Pupille verursacht, wobei die Iris keineswegs braun zu sein braucht. Auch blaue Augen können dann den Eindruck großer, dunkler Augen machen. Auffallend ist, daß die späteren Bildnisse in San Francesco a ripa in Rom, dasjenige des Berlinghieri und andere ihm einen blonden Bart zuerteilen.2) Ich möchte darin nur den Ausfluß des Kunstgeschmackes jener Zeit sehen, zumal Franciscus sich selbst „klein und schwarz“ nennt. Wir haben demnach in ihm einen Vertreter der mediterranen Rasse oder, falls das Haar braun und die Haut hell gewesen ist, einen Mischling zwischen mediterraner und nordischer Rasse zu sehen, zumal es nicht ganz sicher ist, daß er braune Iritiden gehabt hat.

Wie viele Heilige, so waren auch die bedeutendsten Theologen langobardischen Ursprungs. Lanfranco (1005—1089) entstammte einem vornehmen Geschlecht in Pavia. Anselm von Canterbury (1033—1109) hatte zum Vater Gandulf, zur Mutter Emberga, beide von vornehmer langobardischer Abkunft. Petrus Lombardus, geboren gegen Ende des elften Jahrhunderts in Lumello, einem Städtchen der Lombardei, hatte zum Lehrer Lotulf aus Novara.

Thomas von Aquino (1224—1274), der größte Scholastiker Italiens, entstammte einem langobardischen Geschlecht, das die Fürstentümer Salerno und Capua inne hatte. Sein Großvater Thomas hatte eine Schwester Kaiser Barbarossas zur Frau. Seine Mutter Theodora war eine Gräfin von Theata, aus einem normannischen Fürstengeschlecht, dem königlicher Rang zukam. Thomas’ äußere Erscheinung wird von den zeitgenössischen Schriftstellern als eine „sehr edle und gewinnende geschildert. Er war von hoher Statur, sehr wohl gebildet und sein Kopf von vollendeter Schönheit. Seine Züge drückten Sanftmut und Würde aus, die erhabene Stirn war frühzeitig von Haupthaar entblößt worden.“3) Thomas ist zu seinen Lebzeiten mehrfach abgebildet worden, aber kein Original ist auf unsere Zeit gekommen. Doch gibt es mehrere alte Kopien von Traini und Fra Angelico, auf denen er lichtbraune oder blonde Haare hat. Über die Farbe der Augen läßt sich nichts Gewisses sagen, da in jener Zeit die Maler zwischen braunen und blauen Augen noch keinen Unterschied machten.

Hieronymus Savonarola (1452—1498). — Sein Großvater Michele Savonarola war aus einer paduanischen Familie, die schon 1372 als ein altadeliges Geschlecht angeführt wird. Seine Mutter gehörte zu der Familie der Buonacorsi in Mantua, deren Namen analog wie Buonaroto, Bonipert, aus Bono und Corso gebildet ist. Hieronymus hatte eine mittelgroße, aber aufgerichtete und freie Statur. Seine Hautfarbe war weiß, neigte aber ein wenig ins Rötliche. Die Stirn war erhaben und gerunzelt, die Augen waren strahlend und himmelblau, von langen, roten Wimpern umgeben. Die Nase war groß und aquilin, die Unterlippe dick.4) Der Name Savonarola könnte altdeutschen Ursprungs und eine Ableitung von ahd. Savo, Savoni, Savonazzi sein. Analoge Bildungen sind Braghirolli, Straparolo, Mattiroli, Sellorolo.

Wie die christliche Religion, so wirkte nicht minder der Geist der klassischen Bildung, der auch in den dunkelsten und wildesten Zeiten Italiens nicht ganz erlosch, auf die Gemüter der kriegerischen Eroberer mildernd und sittigend ein. Denn da die lateinische Sprache das ganze Mittelalter hindurch sich lebendig erhielt, so wurde auch ein gewisser Schatz höherer geistiger Kultur überliefert, der den eingewanderten Germanen schon frühzeitig nahe trat und in ihnen Interesse für Geschichte, Grammatik und Literatur erweckte. Theoderich umgab sich mit gelehrten Männern wie Cassiodor, Boethius und Ennodius, seine Tochter Amalaswintha war eine hochgebildete Frau und Theodat schrieb an den Kaiser in Byzanz: „Krieg und Waffenlärm bin ich nicht gewöhnt. Denn da ich von Liebe Zu den Wissenschaften beseelt bin und mich ausschließlich mit diesen beschäftigt habe. . . .“ Ob der Übersetzer der Bibel, Wulfilas, ein Gute, ein gotischer Mischling oder ein vorderasiatischer Eingeborener war, ist nicht zu entscheiden. Theoderichs Leibarzt Helpidius wird auch als Dichter genannt. Der erste Gote, der als Schriftsteller auftrat, war Jordanes, der Verfasser einer Gotengeschichte, der vorher, wie sein Großvater, Notar gewesen war. Das Amt eines Notarius scheint der erste praktisch-wissenschaftliche Beruf bei den Germanen gewesen zu sein.

Auch die Langobarden entwickelten schon früh einen geschichtlichen Sinn. Daß sie historische Lieder und Sagen besaßen, ist aus Paulus Diaconus zu ersehen. Der erste bekannte Gelehrte aus diesem Stamm war der von Paul erwähnte gelehrte Autpert, der Abt des langobardischen Klosters des Heiligen Vincentius, der ein Buch über die Gründung dieses Klosters verfaßte. Im Jahre 776 wird ein königlicher Arzt Gaidoald, im Edictum Rothari ein Notar Anscaldi erwähnt. Paul Warnefrits Sohn (geb. 720 oder 725) schrieb die berühmte Geschichte der Langobarden, eine römische Geschichte und versuchte sich auch in der Dichtkunst.

Unter den langobardischen Fürsten ragte besonders Arichis, Herzog von Benevent, durch seine Kunst- und Weisheitsliebe hervor. Mit Paul pflog er häufig Gespräche über die freien Wissenschaften, und selbst Karl der Große bewunderte seine „berühmte Herrlichkeit und Weisheit“. In diesen Zeiten war Benevent eine Stätte geistigen Lebens, hier gab es wissenschaftliche Anstalten und eine Bibliothek.5)

Der nächste bedeutende Schriftsteller germanischer Abkunft ist Luitprand von Cremona (geb. 922), der einem angesehenen langobardischen Geschlecht angehörte und noch ein klares Bewußtsein seiner germanischen Herkunft hatte. Seine Schriften zeigen, daß er mit den lateinischen Klassikern aufs beste vertraut war, zumal er „den Becher des Lateinischen schon in seinen Knabenjahren bis auf den Grund geleert hatte“.

Unter den Chronisten des elften Jahrhunderts sind zu nennen: Amatus aus Salerno, Guilelmus Appulus (ein Franzose), Gaufredus Malatesta und Romualdus (beide Normannen), Landulphius in Mailand, Raoul und Otto in Lodi, Gottfried von Viterbo (ein Langobarde), Henricus Pauper. Dem sizilischen Reiche gehört Hugo Falcandus an (ahd. Falco, Falcand), den Leo einen der besten Schriftsteller nennt und der durch die Fülle und Frische der Farbengebung in seiner Darstellung vor unzähligen neueren sich auszeichnet.

Eine bemerkenswerte Stellung nehmen unter den Chroniken die Jahrbücher von Genua ein, die uns einen gut orientierenden Einblick in das Leben und Treiben der italienischen Städte des zwölften Jahrhunderts bieten. Ihre Verfasser sind Cafarus, Obertus, Otobonus, Marchisius, Lanfrancus Pignolus, Guillielmus de Murtedo, Enricus Drogus, Obertus Stanconus und andere, deren Namen ebenfalls die germanische Abkunft verrät.

Die eigentliche Geschichtsschreibung beginnt mit Giovanni und Matteo Villani in Florenz gegen Ende des dreizehnten und Anfang des vierzehnten Jahrhunderts und Albertino Mussato aus Padua († 1329). Mussato dürfte mit Astat, Mannato in Analogie zu bringen und wahrscheinlich von einem ahd. Muso abzuleiten sein (nhd. Müsse, Müsing, Muske, fr. Musset). Von Giovanni und Matteo Villani gibt es Bildnisse im Passaggio der Uffizien, wo beide blaue Augen und ergraute Haare haben. Ob diese Porträts echt sind oder auf unzweifelhafte Originale zurückgehen, ist nicht festzustellen.

Flavio Biondo (1388—1463), eigentlich Biondo (= Blond), wovon Flavio nur die lateinische Übersetzung ist, stammte aus der vornehmen Familie der Ravaldini in Forli (ahd. Ravaldo). Uber seinen physischen Typus ist nichts Sicheres bekannt.

Niccolò Machiavelli (1469—1527). — Über die Herkunft der Machiavelli gibt es verschiedene Meinungen. Nach der einen war der Stammvater, der um 1120 lebte, ein Buoninsegna di Dono dei Machiavelli, deren Geschlecht ursprünglich im Besitz der Feudalgüter von Montespertoli (Monte Asperto, Ansipert) war.6) Nach der anderen soll der Stammbaum der Familie bis auf die Markgrafen von Toscana, und zwar auf Marchese Hugo zurückgehen.7) Machiavelli war von mittlerer Statur, mager, seine Augen waren höchst lebhaft, die Haare dunkel, die Nase leicht adlerförmig gebogen. Von ihm gibt es zwei Bildnisse, im Palazzo Doria in Rom und im Passagio der Uffizien, beide im Profil und von unbekannter Herkunft. Beide lassen seine charakteristische Physiognomie mit den eng zusammengezogenen Lippen und dem etwas zurückstehenden Kinn, dunkle, etwas ergraute Haare und blaue Augen erkennen. Den Namen Machiavelli möchte ich von ahd. Macho, Machio (= Mach) und Welo, Vella herleiten, analog Bothwell, Flottwell, Cromwell im ags., Denivelli im ital., Mackwitz, Mackroth im nhd. Ob es im nhd. den Namen Mackwell gibt, ist mir unbekannt.

Francesco Guicciardini (1483—1540). — Die Guicciardini stammten von einem im zwölften Jahrhundert lebenden Guicciardino, der Besitzungen in Valdipesa hatte. Der Name entspricht dem ahd. Wico-hardi, Wichardo, nhd. Wichard oder Wichert. Francesco hatte eine hohe Statur, breite Schultern und starken Körperbau.8) Im Palazzo Guicciardini in Florenz befindet sich sein Bildnis, wo er die Gesichtszüge der nordischen Rasse zeigt; aber bei dem Zustand des Bildes, das stark nachgedunkelt und übermalt ist, wage ich über die Farbe der Haare und Augen nichts auszusagen. Graf Paolo Guicciardini hat auf meinen Wunsch die älteren Dokumente der Familie in bezug auf den physischen Typus Francescos durchforscht, aber über die Farbe der Haare und Augen keinerlei Notizen gefunden.

Benedetto Varchi (1502—1565). — Der Familienname leitet sich von Waro, Warico, Warco ab. Sein Bildnis von der Hand Tizians befindet sich in der Gemäldegallerie in Wien. Danach muß er von hoher Gestalt gewesen sein; die Augen sind blau, Haare und Bart dunkel, doch ist der Schnurrbart und die „Fliege“ gelbblond, ein Anzeichen, daß in jüngeren Jahren die Haare heller gewesen sind. Auf einem anderen, diesem sehr ähnlichen Porträt in den Uffizien ist der Bart dunkelblond.

Giorgio Vasari (1512—1574), der als Kunsthistoriker viel bedeutender war denn als Maler, hatte eine hohe Gestalt, blaue Augen, dunkel-braune Haare, aber helleren Bart. In jüngeren Jahren, als er die Bildnisse seiner Familie in der Badia zu Arezzo malte, waren seine Haare blond.

Carolo Sigonio (1524—1584). — Der älteste bekannte Vorfahr ist ein Ser Gullianus de Sigonibus. Der Name Sigone ist langebardischen Ursprungs = Sicone und wurde erst später in Sigonius umgewandelt. Sigonio war von mittlerer Statur9), sein Gesicht lang und schmal, wie sein Porträt im Passaggio der Uffizien zeigt. Dieses ist aber so düster geworden und übermalt, daß über die Farbe der Augen und Haare nichts Gewisses ausgesagt werden kann.

Carlo Baronio (1538—1607). — Der Name Baronio (= Barone) leitet sich entweder von fara (= Geschlecht) ab, bedeutet also einen, der den Geschlechtern angehört, oder nach Leo von waro (= Mann). Wie sein Biograph berichtet, hatte er einen weißen Teint, glänzende blaue Augen, eine lange Nase und schwarze Haare.10)

Paolo Sarpi (1552—1623) war von mittlerer Statur, hatte verhältnismäßig großen Kopf und eine große, dicke, aber sonst ebenmäßig gebildete Nase, der Teint war rosig-weiß mit einer Neigung ins Gelbliche.11) Es gibt mehrere angebliche Porträts von Paolo Sarpi, aber sie stimmen nicht untereinander überein, so daß sie für unsere Zwecke unbrauchbar sind. Sarpi ist wohl das ahd. Scharp.

Ludovico Antonio Muratori (1672—1750). — Seine Mutter hieß Joanna Altimannia (= Altmann). Er war von hoher Gestalt und gut gebautem Körper, die Augen waren himmelblau, die Nase lang, das Gesicht ebenfalls länglich, mit weißer gesunder Hautfarbe.12)

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An die Geschichtsschreiber sind die Rechtsgelehrten anzuschließen. Savigny hat in seiner „Geschichte des römischen Rechtes im Mittelalter“ (1815—1831) nachzuweisen gesucht, daß das römische Recht das ganze Mittelalter hindurch ununterbrochen bestanden und Einfluß ausgeübt habe. Was das öffentliche Recht anbelangt, so ist diese Ansicht von anderen mit guten Gründen widerlegt worden. Anders verhält es sich mit dem Familien- und Erbrecht, das sich dauernd erhielt, namentlich in Süd- und Mittelitalien und im Machtbereich der katholischen Kirche.

Jedoch war die römische Rechtswissenschaft vollständig untergegangen. Die Erneuerung der römischen Rechtsstudien ist das Werk des Irnerius, Guarnerius oder Wernerius, des Begründers der Rechtsschule von Bologna. Die Form Wernerius hat schon früh die Ansicht hervorgerufen, laß Irnerius ein „Deutscher“ gewesen sei, während sie in Wirklichkeit nur beweist, daß in jener Zeit altdeutsche Namenformen in Italien sich noch unverändert erhalten hatten.

In der Geschichte der italienischen Rechtswissenschaft spielt Irnerius eine so große Rolle, daß Savigny die Rechtsgeschichte des Mittelalters in zwei Abschnitte einteilt, von denen der eine die sechs Jahrhunderte vor Irnerius umfaßt, wo von wissenschaftlicher Tätigkeit nur geringe Spuren vorkommen, und der andere die Zeit nach Irnerius, mit dem eine neue Epoche beginnt.

Unter den Nachfolgern sind um die Mitte des zwölften Jahrhunderts vier berühmte Rechtslehrer in Bologna zu nennen: Bulgarus (oder Burgarus, ahd. Burgo, Borgo), Martino Gosio aus der adeligen Familie der Gosi (= Goose), Jacobus und Hugo de Alberico (= Alberich). — Andere berühmte Rechtslehrer von der Universität Bologna sind: Lotharius (1189), Bandinus (1198), Guido Boncambi, Jacobus Balduini, Otto Landriano, Guizardino (1216), Lambertinus Azonis Gardini (1220). — Als berühmte Glossatoren werden aufgeführt: Hugo, Hugolin, Otto, Heinrich, Lothar, Roger, Carl, Roffred, Alberich, Wilhelm, Odofred, ferner Pillius oder Pilius, Otto von Pavia, Azo, Tancredus, Bernardus Dorna. — Unter den späteren Rechtslehrern ragen hervor: Bartolus (geboren 1314) und Baldus de Ubaldis (1327), ferner Salverius de Aliprandis († 1344) und Silvestro Aldobrandini (1499—1558).

Es sind fast nur altdeutsche Namen, denen wir in der Rechtsschule von Bologna begegnen, und es ist sehr wahrscheinlich, daß die meisten dieser Gelehrten germanischer Abstammung gewesen sind.

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Wie die Sprache und das Recht der Römer, so blieb auch die Literatur, zum mindesten die Erinnerung an die römische Literatur erhalten. Unter den Langobarden werden noch einige italische „Grammatiker“ genannt, aber bald übernahmen germanische Abkömmlinge die wissenschaftliche Beschäftigung mit der lateinischen Sprache und Literatur. Paul Warnefrits Sohn und Luitprand wurden schon erwähnt. Als ältester langobardischer „Grammatiker“ ist Hilderich zu nennen, ein Schüler Pauls in Monte Cassino, der in der ersten Hälfte des neunten Jahrhunderts wirkte. Um das Jahr 1000 wird Vilgard von Ravenna genannt, der die lateinischen Dichter, namentlich Vergil, Horaz und Juvenal studierte, im elften Jahrhundert der Grammatiker Albericus, sein Schüler Hugo von Bologna, der „Philosoph“ Drogo und der „Peripatetiker“ Anselm von Parma.

Infolge dieser nie unterbrochenen Beschäftigung mit der lateinischen Sprache und dem geistigen Inhalte ihrer Werke erwachte allmählich ein tieferes Verständnis für die Lebensauffassung der klassischen Zeit und das Bemühen, dieselbe für die unmittelbare Gegenwart, für Erziehung und Lebensführung fruchtbar zu machen. Aus diesen Quellen entsprang der Humanismus, die natürlich-geistige Auffassung von Welt und Leben.

Guarino da Verona (1370—1460), der erste bedeutende Humanist, stammte aus einer edlen Familie in Verona. Guarino ist das ahd. Warin. Erst seine Nachkommen haben sich nach ihm den Familiennamen Guarini beigelegt. Von seinen Zeitgenossen wird berichtet, daß er von robuster Gestalt gewesen und bis ins hohe Alter farbige und frische Wangen hatte.13) Im Museo Trivulziano ist ein altes Miniaturbildnis, von dem mir leider nur eine nichtfarbige Kopie bekannt geworden ist, da alle Bemühungen, das Original zu sehen, vergeblich waren. Sein Gesicht war lang und schmal, ebenso die Nase. Die hohe Gestalt, rosige Haut, die Gesichtsbildung und edle Abkunft machen seine germanische Abstammung gewiß.

Vittorino Ramboldoni (1378—1446) gehörte einer edlen Familie in Feltre (Venezien) an, deren Name (Ramboldo = Rampolt) ihren germanischen Ursprung verrät. Vittorino war klein und von zartem Körperbau, sein Gesicht mager und von rosigem Teint.14)

Poggio Bracciolini (1380—1459) soll nach den einen aus der Familie der Brandolini (ahd. Brando, Brandila), nach anderen aus dem Geschlecht der Blandolini stammen. Größere Wahrscheinlichkeit hat die Annahme, daß er von den Bracciolini stammt. Der Name scheint gotischen Ursprungs zu sein, da ein gotischer Graf Bracila schon zu Procops Zeiten genannt wird. Im Passaggio ist ein Bildnis, wo er blaue Augen und ergraute Haare hat, ein anderes in der Galleria Colonna in Rom, wo er dunkelblonde Haare und hellblonden Bart zeigt.

Antonio Beccadelli (1393—1471), meist Panormita genannt, weil er in Palermo geboren war. Sein Vater Arrigo (= Heinrich) stammte aus einer edlen Familie Bolognas. Von seinem körperlichen Aussehen ist nur bekannt, daß er eine hohe Körpergestalt und eine unangenehme Physiognomie hatte.15)

Gianozzo Manetti (1396—1459) war von mittlerer Statur, nicht zu groß und nicht zu klein, wie der Biograph schreibt. Er hatte einen großen Kopf, und zwar besonders von vorne nach hinten in die Länge gezogen. Schon in frühen Jahren waren seine Haare ergraut.16) Im Passaggio der Uffizien ist ein Bildnis, das den großen Kopf erkennen läßt und blaue Augen zeigt. Der Name Manetti ist eine Ableitung von ahd. Mano, Manno, Mann.

Christophoro Landini (1424—1504). — Die Familie der Landini stammte aus Prato vecchio, und zwar von einem Landino, der 1289 erwähnt wird.17) Landino ahd. Lando, Landino, nhd. Land. Biographische Notizen über sein Äußeres sind nicht überliefert. Im Passaggio befindet sich ein Bildnis, auf dem er blaue Augen und die Physiognomie der nordischen Rasse hat. Es ist sehr ähnlich demjenigen, das von Ghirlandajo im Chor von S. Maria novella gemalt wurde. Die Haare sind auf beiden Bildern weiß.

Lorenzo Valla (1407—1457). — Die Vorfahren des Lorenzo wohnten in Vigoleno bei Piacenza. Sein Name ist früher häufig in De Valle, Vallensis, Vallati entstellt worden, während er richtig Valla lautet, wie Mancini gezeigt hat.18) Valla ist das ahd. Wala, Walla (= Wehl, Walle). Seine Eltern wanderten nach Rom, wo Lorenzo geboren wurde. Es gibt eine liegende Marmorstatue auf seinem Grabmal in S. Giovanni Laterano in Rom, nach welcher er von hagerer und großer Gestalt war, da Mancini seine Körperlänge als 1,79 m berechnet hat. Das Gesicht ist lang und schmal, die Nase lang und leicht gebogen. In der Biblioteca Laurentiana in Florenz befindet sich ein Codex des Thucydides, dessen Anfangsbuchstaben ein Miniaturbildnis des Lorenzo in Halbfigur trägt, das den Gesichtszügen der Statue sehr ähnlich ist. Auffallend ist die rosig-weiße Haut des Gesichtes; die Haare sind ergraut; die Farbe der Augen ist wegen der geringen Größe des Bildes nicht festzustellen; aber das ganze Bildnis bestätigt den aus der Statur gezogenen Schluß, daß Lorenzo eine große, hagere Körpergestalt hatte.

Gioviano Pontano (1426—1503) war, wie er selbst berichtet, von guter und aufgerichteter Körpergestalt, er hatte eine scharf geschnittene Nase, himmelblaue Augen, magere Wangen, einen rosigen Teint, während er in der Jugend blaß aussah.19)

Bartolomeo Sacchi (1421—1481), meist nach seinem Geburtsort Platina genannt, hatte blaue Augen und hellen, rosigen Teint, wie sein Bildnis in ganzer Figur auf dem Gemälde „Eröffnung der vaticanischen Bibliothek“ von Melozzo da Forli zeigt. Die Haare sind ergraut dargestellt. Nach dem Bildnis zu urteilen, muß er von hoher Gestalt gewesen sein.

Lorenzo de’ Medici (1448—1492), wohl der geistig Bedeutendste dieser Familie, war von hoher Gestalt, brünett, mit dunklen Haaren und häßlichen Gesichtszügen.20) Sein Bildnis brachte Domenico Ghirlandajo in seinen Fresken in Santa Trinità an. Auf diesem Bilde sind auch die Köpfe seiner drei Söhne Piero, Giuliano und Giovanni, der spätere Papst Leo X. Alle drei haben blonde Haare, es liegt daher die Vermutung nahe, daß Lorenzo in seiner Jugend auch hellere Haare gehabt hat. Bestätigt wird diese Vermutung durch das Bildnis, das Benozzo Gozzoli in seinem „Zug der Könige“ im Palazzo Medici von dem jugendlichen Lorenzo gemalt hat. Doch da die Deutung dieser Figur nicht zweifellos ist, berufe ich mich lieber auf seine Darstellung des jungen Lorenzo im Campo santo zu Pisa, wo er ebenfalls blonde Haare hat.21)

Marsilio Ficino (1453—1499). — Der Name Ficino, der sonst auch in der Form Figino vorkommt, hat seine Wurzel im ahd. Ficcho, Figo (= Fick, Figge). Marsilius war von ziemlich kleiner und graziler Statur, dabei etwas buckelig, was auf Knochenerkrankung in der Kindheit hinweist. Die Hände waren lang, ebenso das Gesicht, die Haare blond und gelockt, der Teint rosig.22) Wie sein Bildnis im Passaggio der Uffizien zeigt, war die Nase schmal und leicht gebogen, die Farbe der Augen blau. Dies Bildnis ist demjenigen ähnlich, das Ghirlandajo in den Fresken von S. M. Novella und Vasari im Palazzo vecchio anbrachte.

Angelo Poliziano (1454—1494) hieß eigentlich Ambrogini oder verkürzt Gini. Er hatte eine auffallend große, gebogene Nase, gelbe Augen,23) und wie sein Bildnis im Fresko des Ghirlandajo in S. Trinità und im Passaggio zeigt, braune bis dunkelblonde Haare, helle Gesichtsfarbe.

Pico von Mirandola (1463—1494), oder mit richtigem Namen Giovanni Pico (= Pick, Bick), entstammte einer Familie, die von einem Manfredo aus Reggio ihren Ursprung herleitete. Dieser Manfredo lebte zur Zeit Karls des Großen, war langobardischer Herkunft, bekannte sich aber zum salischen Recht. Die Pico waren Inhaber der Grafschaft Mirandola, nördlich von Modena. Giovanni Pico war ein schöner und ziemlich großgewachsener Mann, wie aus seinen Bildnissen hervorgeht. Antonello da Messina malte ihn im zwölften Lebensjahr (Bild im Museo Civico zu Venedig), Cosimo Rosselli auf seinem Fresko in S. Ambrogio zu Florenz, wo er in mehr als mittelgroßer Gestalt erscheint, außerdem befindet sich noch ein schönes Profilbildnis im Passaggio der Uffizien. Er hatte eine ebenmäßige Gesichtsbildung und lange hellblonde Locken. Auf dem Bildnis des Antonello hat er blaue, etwas ins Grünliche spielende Augen, während das Passaggio-Bildnis hellbraune Augen zeigt. Doch ist bei der Authentizität des ersteren Bildes diesem der größere ikonographische Wert zuzuschreiben; immerhin ist es möglich, daß seine Augen später einen leicht bräunlichen Farbenton angenommen haben.

Pietro Bembo (1470—1547) entstammte einer vornehmen Familie in Venedig, deren Name Bembo (Bambo, Bemporad) germanischen Ursprungs ist und im nhd. Bemb, Pampe lautet. Es gibt zahlreiche Bildnisse von Bembo, im Palazzo Barbarini in Rom, ein Profilbildnis von C. Domenico im Museo Civico zu Pavia, ein anderes, dem Tizian zugeschriebenes, in der Bibliothek zu Venedig, ein kürzlich wieder aufgefundenes Bildnis von der Hand Tizians im Museo nazionale zu Neapel. Alle diese Bildnisse stimmen darin überein, daß Bembo ein langes schmales Gesicht, eine lange, sehr schmale und gebogene Nase und hellen Teint hatte. In bezug auf die Augenfarbe besteht zwischen den Bildnissen, die zum Teil sehr gelitten haben oder übermalt sind, keine Übereinstimmung; sie sind auf dem einen bräunlich, auf dem anderen grau oder grau-bräunlich. Nach dem in Halbfigur gemalten Bildnis im Palazzo Barberini muß er von hoher Gestalt gewesen sein. — Nachträglich habe ich Gelegenheit, ein Porträt des Bembo in der Leipziger Universitäts-Bibliothek zu sehen, auf dem das Gesicht bartlos ist. Es ist aber überliefert, daß er sich erst in späteren Jahren den Bart wachsen ließ; im übrigen sind die Gesichtszüge den anderen Bildnissen durchaus ähnlich, so daß an der Echtheit kaum gezweifelt werden kann. Danach hatte Bembo hellbraune Augen und mittelbraunes Haar.

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1) K. Hasse, Caterina von Siena. 1864.
2) H. Thode, Franz von Assisi und die Anfänge der Kunst der Renaissance in Italien. 1904. S. 67 ff. — Thode schreibt auch dem Bildnis in der Unterkirche zu Subiaco blonde Haarfarbe und blonden Bart zu. Ich kann ihm darin nicht beistimmen. Die Haare sind mit dunkelbraunen Strichen auf graugelbem, Grunde gezeichnet. Daraus auf blonde Farbe zu schließen, liegt kein zwingender Grund vor, da das ganze Bild fast farblos gehalten ist.
3) K. Werner, Der heilige Thomas von Aquino. 1858. S. 850.
4) P. Burlammacchi, Vita die Girolamo Savonarola. 1764. S. 3—4.
5) H. Leo, Geschichte der italienischen Staaten. I. Bd., S. 228.
6) Vita di N. Machiavelli in Opera die N. M. 1782. I. Bd.
7) F. Nitti, Machiavelli nella vita e nelle dottrine. 1876. S. 1.
8) Storia d’Italia di Fr. Guicciardini. 1837. S. 43.
9) L. A. Muratori, Vita Caroli Sigonii, in Opera omnia. 1732. vol. I.
10) H. Barnabeo, Vita Caesaris Baronii. 1651. S. 198.
11) F. Micanza, Vita di Paolo Sarpi. 1658. S. 181.
12) A. Fabronius, Vitae Italorum usw. vol. X, S. 382.
13) Carlo de’ Rosmini, Vita e disciplina di Guarino Veronese. 1805. S. 123.
14) Carlo de’ Rosmini, Idea dell’ ottimo precettore nella vita e disciplina di Vittorino da Feltre. 1845.
15) Fr. Colangelo, Vita di Antonio Beccadelli. 1820. S. 257.
16) Vespasiano da Bisticci, Vite de uomini illustri. II. Bd., S. 189.
17) A. M. Bandini, Specimen Literaturae Florentinae. I, S. 24.
18) G. Mancini, Vita di Lorenza Valla. Fir. 1891. S. 3.
19) Fr. Colangelo, Vita di Giovanni Pontano. 1826. S. 158.
20) Nach den biographischen Nachrichten von N. Valori und B. Cerretani. Vergl. Warburg, Bildniskunst und Florentinisches Bürgertum. I, S. 32—33.
21) G. Rosini, Descrizione delle pitture del Camposanto in Pisa. 1816.
22) Joannes Corsio, Marsilii Ficini vita. S. 47.
23) F. O. Menckenius, Historia vitae Angeli Politiani. 1736. S. 448—449.

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